Das Wichtigste in Kürze:
- Neo-Broker werben damit, dass Sie rund um die Uhr Wertpapiere kaufen und verkaufen können.
- Auch wenn die Werbung von Gratis-Angeboten spricht: Am Ende kostet Sie jede Transaktion etwas, wenn auch indirekt, denn die Neo-Broker werden letztlich von beteiligten Dienstleistern in Form von Provisionen bezahlt.
- Neo-Broker müssen ihre Provisionen Ihnen gegenüber offenlegen, so wie alle anderen Broker auch.
- Trading-Portale oder Apps sind für langfristige Anlageentscheidungen nicht notwendig.
- Trading-Apps können Sie sogar zum "Zocken" verführen.
"Jetzt ab 0 Euro pro Order", "Investiere provisionsfrei", "ohne Ordergebühren traden" - so preisen Neo-Broker wie Trade Republic, Scalable Capital oder Smartbroker ihre Online-Angebote an. Manche Händler tragen das Null-Kosten-Werbeversprechen sogar schon im Namen, wie der Anbieter finanzen.net zero. Neo-Broker werben mit Wertpapierhandel überall und "ganz einfach unterwegs" via Smartphone oder Tablet. Und das zum Nulltarif?
Brokerage-Angebote: nicht wirklich kostenlos
Auch wenn viele Neo-Broker mit niedrigen Gebühren oder gar kostenlosen Angeboten locken: Umsonst gibt es nichts. Durch Transaktionen entstehen Kosten, die auch indirekt an Sie weitergegeben werden können. Online-Broker bekommen Provisionen, auch Rückvergütungen genannt, von den Handelsplätzen, bzw. von den Dienstleistern, die an den jeweiligen Handelsplätzen ihre Kaufaufträge entgegennehmen.
Anders als Direktbanken und Online Broker kooperieren viele der Neo-Broker mit wenigen ausgewählten Handelsplätzen. Bei Trade Republic heißt es hierzu etwa: "Der Handel der Aktien und ETFs in der Trade Republic erfolgt über das an der Börse Hamburg betriebene elektronische Handelssystem LS Exchange. Die Kursqualität wird börslich überwacht. Die Spreads sind an den Referenzmarkt XETRA, soweit dort handelbar, gebunden. Bei einem Ausfall der Handelssysteme von LS Exchange, weichen wir für den Handel von ETFs und Aktien auf Tradegate aus."
Tradegate wiederum ist eine Wertpapierhandelsbank mit Sitz in Berlin. Ob ein Handel an den klassischen Finanzplätzen Xetra oder der Börse Frankfurt möglich ist, steht meist in den "Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte mit Ausführungsgrundsätzen". Scalable etwa beschränkt die möglichen Handelsplätze in den "Besonderen Vertragsbedingungen: Brokerage" auf gettex und xetra.
Im Gegenzug erhalten die Neo-Broker von ihren Kooperationspartnern Provisionen, die meist bei rund 3 Euro pro Kundenorder liegen. Angaben hierzu finden Sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Bei Umsätzen in Derivaten können zum Teil auch deutlich höhere Provisionen "von bis zu EUR 25,00 jeweils pro Handelsauftrag" anfallen, schreibt etwa Scalable Capital in seinen "Kundendokumenten".
Den Kooperationspartnern der Neo-Broker steht aber keine andere Einnahmequelle zur Verfügung als die Ausführungskurse. Die Transaktionskosten sind dann immer in den Ausführungskursen versteckt. Sobald Sie aber außerhalb der Öffnungszeiten regulierter herkömmlicher Börsen handeln (Xetra: 9 Uhr bis 17:30 Uhr), können die Kurse unbemerkt schlechter werden.
Wer also früh morgens vor dem Weg zur Arbeit oder am Abend noch ein paar Aktien oder ETFs kaufen oder verkaufen will, erhält zwar immer aktuelle An- und Verkaufskurse. Die Kurse sind aber im Mittel systematisch schlechter als während des Börsenhandels, was generell für alle Broker gilt.
Erkennen können Sie das nur an einer etwas höheren Geld-Brief-Spanne als tagsüber: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat Ausführungskurse untersucht und kam zu einem differenzierten Ergebnis. In einem Blog-Beitrag, der bei der zivilgesellschaftlichen Bürgerbewegung Finanzwende Recherche erschienen ist, wird der "Provisionsfreie Wertpapierhandel" als Etikettenschwindel angeprangert.
Wer kaufen will, zahlt einen etwas höheren Kurs, und wer verkaufen will, bekommt einen etwas niedrigeren Kurs. Daran sollten Sie also beim Handeln denken. Ebenfalls gut zu wissen: Neo-Broker müssen diese Provisionen Ihnen gegenüber offenlegen. Die AGB sind ein guter Ort, um danach zu suchen – auch wenn es in diesem "Kleingedruckten" manchmal mühsam ist.
Trading-Apps: ein neues Phänomen?
Trading-Apps sind Anwendungen auf dem Computer oder dem Smartphone, mit denen Sie Wertpapiere handeln. Es gibt sie bereits seit Ende der 90er, als die ersten Discount-Broker am Markt aktiv wurden. Die Erreichbarkeit via Smartphones, die einfache Bedienung und ständige Verfügbarkeit verführen zum häufigen Handeln, was den Erfolg einer langfristig orientierten Geldanlage gefährdet.
Je häufiger Sie handeln, desto mehr Gebühren und Orderentgelte, die in den Geld- und Briefkursen versteckt sind, bezahlen Sie und desto geringer ist die erzielbare Rendite. Die Redewendung "Hin und Her macht Taschen leer" gilt ganz besonders für den Wertpapierhandel.
Risiken von Trading-Apps
Das nächste Problem: Die scheinbar kostenlose Möglichkeit zu kaufen und zu verkaufen verführt zum "Zocken". Schnelle Gewinne sind nur bei hoch riskanten Anlagen möglich. Auch die Einschränkung des Wertpapierhandels, bei dem Kauf- und Verkaufsaufträge nicht an allen Börsen möglich sind, kann riskant sein.
Erste Probleme haben sich schon gezeigt. So hatte Ende Januar 2021 der Neobroker Trade Republic den Kauf bestimmter Aktien kurzfristig eingestellt, obwohl sie an den Börsen weiter handelbar waren, darunter Aktien von GameStop, Nokia und BlackBerry. Offiziell "wegen extremer Kursschwankungen und den damit verbundenen Risiken". Der Vorfall hatte damals viele Anleger auf die Barrikaden gebracht.
Einige Neo-Broker, wie z.B. BUX Zero, behalten sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch das Recht vor, die Wertpapiere ihrer Kund:innen zu verleihen. Die Erträge streicht der Broker ein. Das birgt eine weitere Gefahr: Wenn viele Kleinanleger eine bestimmte Aktie bei einem Broker besitzen, ist es denkbar, dass der Broker diese Aktien einer Investmentbank leiht, damit diese sie verkaufen und auf fallende Kurse spekulieren kann.
Trading-Apps bergen also etliche Risiken. Für eine bedarfsgerechte solide Anlagestrategie braucht man diese Angebote gewiss nicht. Wie eine solche Strategie über die Börse aussehen könnte, können Sie in diesem Artikel nachlesen.
Gut zu wissen
- Was auch immer Händler versprechen: Kein Angebot ist wirklich kostenlos. Meist verdienen die Broker an Provisionen. Die müssen sie Ihnen offenlegen.
- Einen unabhängigen Anbietervergleich bietet die Stiftung Warentest an (kostenpflichtig).
- Handeln Sie nur zu den regulären Börsenöffnungszeiten. Vergleichen Sie An- und Verkaufskurse an verschiedenen Handelsplätzen.
- Vermeiden Sie so genannte Klumpenrisiken: Stecken Sie niemals alles in eine einzige Anlage. Welche Renditen und Risiken am Aktienmarkt typisch sind, sagt Ihnen auch der kostenlose Rendite-Rechner der Verbraucherzentralen.
Vorsicht vor unseriösen Handels-Plattformen
Ausdrücklich von den Smartphone-Brokern trennen muss man unseriöse Trading-Plattformen. Die Verbraucherzentralen kennen Fälle von Verbraucher:innen, die regelrecht über den Tisch gezogen wurden. Vom Investment selbst, über das Nachschießen von Geldern, um Verluste zu kompensieren, bis hin zur Mandatierung (und Bezahlung) von vermeintlichen Anwälten, um die Gelder zurückzubekommen.