BGH schränkt Werbung mit neuen Infektionskrankheiten ein

Stand:
Die Verbraucherzentrale NRW ist vor dem BGH erfolgreich gegen den Hersteller der Mundspülung „Linola sept“ vorgegangen
  • Die Dr. August Wolff GmbH & Co. KG hatte unzulässigerweise eine „Corona-Prophylaxe“ für ihre Mundspülung versprochen.
  • Der Bundesgerichtshof folgt mit einem neuen Urteil der Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale NRW.
  • Die Richter stellen klar, dass auch für neue Infektionskrankheiten wie z.B. Covid-19 ein Werbeverbot besteht.
Off

Seit Beginn der Pandemie nutzen immer wieder Unternehmen die Ängste der Menschen vor einer Corona-Infektion für unzulässige Werbeversprechen aus. So auch der Hersteller der Mund- und Rachenspülung „Linola sept“, die im Netz unter anderem mit Aussagen wie „Das Risiko einer Tröpfchenübertragung der Coronaviren wird verringert“ beworben wurde. Im aktuellen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 24/23) ging es aber nicht um solche unzulässigen Gesundheitsversprechen, die dem Heilmittelwerbegesetz widersprechen, sondern um die grundsätzlichere Frage: Dürfen Anbieter und Hersteller ihre Gesundheitsprodukte überhaupt mit Bezug auf eine neue Infektionskrankheit wie zum Beispiel Covid-19 bewerben? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun festgestellt, dass es hier kein Schlupfloch gibt.
 
In Deutschland regelt das Heilmittelwerbegesetz, für welche Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Behandlungen geworben werden darf. Eigentlich ist klar geregelt, dass mit Infektionskrankheiten gar nicht geworben werden darf. Die Firma Dr. August Wolff legte das Gesetz aber so aus, dass neue Erkrankungen davon nicht erfasst seien, sondern nur Krankheiten, die beim Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes im Juli 2000 schon bekannt waren. Auch wenn die Urteilsgründe noch nicht ausformuliert vorliegen, ließ der BGH in der mündlichen Verhandlung erkennen, dass nicht entscheidend ist, wie im Heilmittelwerbegesetz auf andere Gesetze verwiesen wird, sondern dass neue Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz im Sinne einer „dynamischen Verweisung“ automatisch eingeschlossen sind.

Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, begrüßt das BGH-Urteil: „Hier bestätigt sich unsere Rechtsauffassung, dass Hersteller keine Geschäfte machen dürfen, indem sie mit Heilsversprechen für gefährliche neue Infektionskrankheiten wie Covid-19 für ihre Produkte werben. Das ist aus unserer Sicht ein unangemessenes Spiel mit der Angst von Verbraucher:innen um ihre Gesundheit.“

Der Weg durch die Instanzen

Bereits Ende April 2021 hatte die Verbraucherzentrale NRW den Hersteller von „Linola sept“, die Dr. August Wolff GmbH & Co. KG aus Bielefeld, abgemahnt. Beanstandet wurden die nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) unzulässigen Corona-Bezüge in der Internetwerbung für die Mundspülung. Da das Unternehmen die Unterlassungserklärung nicht unterzeichnete, kam es im April 2022 zum Gerichtsverfahren. Knackpunkt war das Infektionsschutzgesetz. Es regelt, welche Infektionskrankheiten von der Werbung ausgeschlossen werden.

Das Landgericht Bielefeld urteilte, dass auch neue meldepflichtige Erkrankungen wie Covid-19 mit vom Gesetz umfasst sind. Im Berufungsverfahren sah das Oberlandesgericht Hamm jedoch nur für solche meldepflichtigen Krankheiten ein Werbeverbot, die bereits in der Gesetzesfassung vom 20. Juli 2000 meldepflichtig waren. Letzten Endes wollte das Oberlandesgericht die Berufsausübungsfreiheit der Unternehmen nicht beschränken, weil eine Rechtsunsicherheit bestehe, ob das Werbeverbot auch für Covid-19 galt. Denn die Erkrankung ist in der Fassung von Juli 2000 nicht aufgeführt. Daraufhin ging die Verbraucherzentrale beim Bundesgerichtshof in Revision.

Zum Hintergrund:
 Laut Heilmittelwerbegesetz (§ 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG) darf sich die Werbung für Medizinprodukte außerhalb der Fachkreise nicht auf die Verhütung oder Linderung der in einer Anlage des Gesetzes konkret genannten Krankheiten beziehen. Hierzu gehören auch nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen.

Das Projekt „Faktencheck Gesundheitswerbung“ der Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz thematisiert Fehlinformationen und unlauteres Wettbewerbsverhalten im Gesundheitsbereich, um Verbraucher:innen vor irreführender oder unzulässiger Werbung zu schützen.
Weiterführende Infos und Links:
Illustration einer Frau mit erhobenem Zeigefinger neben einem Smartphone, das ein Medikamentenbehälter zeigt. Ein Pfeil führt vom Bildschirm zu einem Glas mit ähnlichen Pillen, das mit dem roten Stempel "FAKE" markiert ist. Auf der rechten Seite steht in einem roten Balken das Wort "WARNUNG".

Warnung: Gesundheitswerbung für Mania Concept - Energy Pearls

Mehrere Verbraucher:innen haben der Verbraucherzentrale NRW die irreführende Werbung zu angeblich heilenden Glasperlen gemeldet. Die Gesundheitsversprechen für „Energy Pearls“ sind aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar.
Reichstagsgebäude in Berlin, Foto: Fotolia.de - niroworld

Bilanz des vzbv ein Jahr vor der Wahl: Ampel muss offene Projekte anpacken

Der Ampelkoalition bleibt nur noch ein Jahr Zeit, um verbraucherpolitische Vorhaben umzusetzen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bewertet in seiner Regierungsbilanz die aktuellen Erfolge und zeigt auf, wo die Bundesregierung dringend aktiv werden muss.

Musterfeststellungsklage gegen Saalesparkasse

Die in Halle/Saale ansässige Saalesparkasse hat Prämiensparern nach Ansicht des vzbv jahrelang zu geringe Zinsen gezahlt. Dabei geht es häufig um Tausende von Euro. Der vzbv hat die Saalesparkasse verklagt, um den Sparern zu ihrem Recht zu verhelfen.

Inzwischen hat der Bundesgerichtshof (BGH) das abschließende Urteil gesprochen. Betroffene können sich auf erhebliche Nachzahlungen freuen.