Nachdem die Meere schon seit 2020 deutlich zu warm waren, wurde im März 2023 mit knapp 21 Grad Celsius ein neuer Rekordwert erreicht. Dieser Wert liegt 0,5 Grad über dem durchschnittlichen März-Wert. Und ab März 2023 blieben die Meerestemperaturen auf einem Extremniveau, sie waren jeden Monat so hoch wie noch nie im jeweiligen Monat. Im September 2023 lagen beispielsweise die Temperaturen im Mittelmeer vor Monaco und Korsika bei über 30 Grad. Und gleichzeitig gab es Feuer in Griechenland, Dürre in Spanien, überall wurden Hitzerekorde gebrochen.
Unser Meer als Wärmespeicher
Die Bedeutung der Meere für unser Klima an Land ist enorm, beide Systeme sind auf vielschichtige Weise miteinander verbunden. Die Ozeane bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche und sind ein riesiger Speicher von Wärme und CO2, sie nehmen etwa 90 Prozent der durch den Menschen erzeugten Wärme aus der Atmosphäre auf. Zum Vergleich: Die Meere nehmen in 6 Stunden so viel Wärme auf, wie ganz Deutschland im Jahr an Energie verbraucht.
Die Ozeane bremsen die Erwärmung der Atmosphäre ganz erheblich ab, erwärmen sich aber dabei auch nach und nach. Nun aber schreitet diese Erwärmung deutlich schneller bzw. stärker voran als gedacht. Das wirft Fragen auf: Wie ist diese zusätzliche Erwärmung erklärbar? Kann es sein, dass es Mechanismen bzw. Wechselwirkungen gibt, die bisher gar nicht in Betracht gezogen wurden? Kann es sein, dass die Klimaerwärmung schneller voranschreitet als bisher von den Klimamodellen prognostiziert?
Ozeane erwärmen sich zu schnell
Es gibt drei Ereignisse, die den Anstieg der Meerestemperaturen seit März 2023 begünstigt haben, aber nicht allein erklären können.
So entwickelte sich im Jahr 2023 das Klimaphänomen El Niño mit Höhepunkt im September 2023. El Niño ist eine natürliche Erwärmung des östlichen Pazifik, die alle zwei bis sieben Jahre auftritt und die Auswirkungen des Klimawandels verstärkt. Die bis jetzt anhaltenden Rekordtemperaturen der Meere lassen sich aber nicht ausschließlich mit El Niño erklären, denn mit Nachlassen des El Niño-Ereignisses hätten die Meerestemperaturen deutlich sinken müssen. Dies ist aber nicht geschehen.
2023 gab es zudem den Ausbruch eines Unterwasservulkans und eine Phase verstärkter Sonnenaktivität, aber selbst, wenn diese beiden Ereignisse plus dem Beitrag von El Niño eingerechnet werden, bleibt eine Erwärmung von ca. 0,2 Grad, die nicht erklärbar ist.
Ein Wärmeplus von 0,2 Grad klingt nicht viel, entspricht aber bei der riesigen Wärmeaufnahmefähigkeit der Ozeane einer gigantische Energiemenge, vergleichbar mit der Energiemenge, die von 40 Millionen Hiroshimabomben freigesetzt werden würde.
In der Diskussion sind momentan mehrere Effekte, die an der Erwärmung beteiligt sein können bzw. sind:
- Im Jahr 2020 senkte die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) der Vereinten Nationen den Schwefelgehalt im Treibstoff von Schiffen, wodurch die weltweiten Schwefelemissionen reduziert wurden. Damit wurde zwar die Luft sauberer, aber es fehlt seitdem die verschattende Wirkung der Schwefel-Aerosole. Diese reflektieren Sonnenlicht und können auch die Wolkenbildung fördern. Ohne Schwefel-Aerosole hat somit die direkte Sonneneinstrahlung in die Meere zugenommen.
- Ein zweiter möglicher Grund für verstärkte direkte Sonneneinstrahlung in die Meere liegt in einer Abnahme der niedrigen Bewölkung. Durch den Klimawandel steigt die Temperatur in der Atmosphäre, was zu weniger Wolken und das wiederum zu mehr Wärme in der Atmosphäre führt. Dieser Rückkopplungsprozess wird auch durch Klimamodelle bestätigt.
- Der dritte Prozess, der zur Erwärmung der Meere beitragen könnte, sind natürliche Schwankungen. Zwar können mit heutigen Klimamodellen die extremen Meerestemperaturen der Jahre 2023 und 2024 nachgebildet werden, aber die Forscher halten es für sehr unwahrscheinlich, dass diese Hitzewelle ausschließlich natürlichen Ursprungs ist.
Unbedingtes Handeln als einziger Weg aus der Krise
Die Frage, die sich stellt, lautet: In welchem Umfang haben die Abnahme der Aerosole, die Abnahme der Wolkenbedeckung sowie natürliche Schwankungen zur extremen Erwärmung der Meere beigetragen?
Und als Hauptfrage: Kann es sein, dass die Klimakrise noch schneller voranschreitet als bisher angenommen? Aber wie auch immer, die Emissionen müssen runter auf Null und das möglichst schnell. Denn:
„Das Heft des Handelns liegt noch immer in unserer Hand“ (Dr. Andreas Becker DWD)
(*) mit Temperaturen der Weltmeere oder Ozeane ist im gesamten Artikel die global gemittelte Oberflächentemperatur der Meere gemeint
Quelle: Interview Deutschlandfunk mit Notz
(Interview mit Andreas)