128.000 Kontakte konnte das Team der Verbraucherzentrale im vergangenen Jahr verbuchen – ein gutes Drittel mehr als im Vorjahr. In ihrem Jahresbericht 2022 schaut die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz auf ein herausforderndes Jahr zurück. „Die Energiekrise hat den Alltag der Menschen durch Preissteigerungen und Fragen der Energiesicherheit massiv geprägt. Die Verbraucherzentrale sah sich einer riesigen Nachfragewelle gegenüber“, so Heike Troue, Vorständin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Anfragen zur Energieversorgung, möglichen Lieferstopps und steigenden Energiepreisen beschäftigten unser Energieteam im vergangenen Jahr in nicht gekanntem Ausmaß. Mit Beratung, Angeboten im Internet und Web-Seminaren rund um Krisenthemen bot die Verbraucherzentrale Orientierung und war viel gefragte Anlaufstelle.“
Gemeinsam durch die Krise
Aufgrund der steigenden Preise in etlichen Bereichen des täglichen Bedarfs suchten viele Menschen nach Möglichkeiten, ihre Ausgaben zu reduzieren oder zu optimieren. Auf einer neuen Internetseite „Gemeinsam durch die Krise“ bietet die Verbraucherzentrale Informationen, wie man sich Schritt für Schritt einen Überblick über die eigenen Finanzen verschaffen, Kostenfresser entlarven und Sparpotenziale nutzen kann. Dabei werden die Ausgaben für die Ernährung genauso unter die Lupe genommen wie Ausgaben für Energie, Verträge oder Versicherungen. Die Verbraucherzentrale weiterte zudem ihre telefonische Erstberatung aus und bot spezielle Web-Seminare an, um auf die zusätzliche Beratungsnachfrage zu reagieren. Die Zahl der Teilnehmenden an den Web-Seminaren hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Eine Checkliste zu den regelmäßigen Ausgaben hilft, Einsparmöglichkeiten zu ermitteln.
Dispokredite zu teuer
Bei immer mehr Verbraucher:innen reicht das Einkommen nicht mehr aus, um die monatlichen Ausgaben zu bezahlen. Bereits etwa jede:r siebte Verbraucher:in nutzte laut einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag der Marktbeobachtung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zwischen Anfang September und Anfang Dezember 2022 einen Dispokredit – knapp die Hälfte gab als Grund dafür die gestiegenen Lebenshaltungskosten an. Der Dispokredit ist allerdings die teuerste Variante. Schon seit Jahren sind die Dispozinsen nach Ansicht der Verbraucherzentrale bei vielen Kreditinstituten zu hoch. Eine stichprobenartige Erhebung der Verbraucherzentrale bei Kreditinstituten Ende März 2023 zeigte eine Zinsspanne für Dispozinsen zwischen 4,90 und 14,64 Prozent – im Schnitt 10,6 Prozent. Eine aktuelle Erhebung von Finanztest ergab mittlerweile sogar einen durchschnittlichen Dispozins von 11,22 Prozent.
Daher begrüßt die Verbraucherzentrale, dass bei der diesjährigen Verbraucherschutzministerkonferenz im Juni das Land Rheinland-Pfalz unter anderem eine Deckelung der Dispozinsen gefordert hat. Zwecks kurzfristiger Entlastung der Betroffenen in der aktuellen Krisensituation appelliert die Verbraucherzentrale zusätzlich an die Kreditinstitute, Verantwortung zu übernehmen, um Verbraucher:innen vor Ver- und Überschuldung zu schützen. „Wer durch die Energiepreiskrise und die Inflation unverschuldet in finanzielle Not gerät, sollte nicht noch mit hohen Dispozinsen `bestraft´ werden, wenn das Girokonto überzogen werden muss“, so Josephine Holzhäuser, Fachbereichsleiterin Finanzen und Versicherung.
Energiemarkt und Gebäudeenergiegesetz
„Die Energiepreiskrise hat zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage bei der Energieberatung geführt“, so Hans Weinreuter, Fachbereichsleiter Energie und Bauen bei der Verbraucherzentrale. „Die bereits 2021 gestiegene Zahl der Energieberatungen hat 2022 um weitere 64 Prozent zugenommen.“ Die Beratungstelefone liefen heiß, die Beratungstermine waren auf Wochen ausgebucht und die Web-Seminare zu Energiethemen wurden förmlich überrannt. Fragen zu Fördermitteln für energiesparende Maßnahmen, zu erneuerbaren Energien und effizienter Anlagentechnik waren Top-Themen in der Energieberatung.
Eine kontinuierliche Analyse der Strom- und Erdgaspreise bei den rheinland-pfälzischen Grundversorgern zeigt seit der Krise erhebliche Unterschiede. Der Strompreis lag noch im Juni zwischen 25 Cent und 69 Cent pro Kilowattstunde und der Erdgaspreis zwischen 11 und 23 Cent. Daher fordert die Verbraucherzentrale eine verstärkte Marktaufsicht durch die Kartellbehörden sowie den Ausbau und die Verstetigung von Beratungs- und Hilfestrukturen. Auch ein landesweiter Hilfsfonds wäre eine wesentliche finanzielle Unterstützung für Haushalte, die mit dem Rücken zur Wand stehen.
Umfangreiche Informationen rund um das Thema Energiepreiskrise mit Verbrauchsrechner, Spartipps, Beratungs- und Vortragsangeboten finden Interessierte auf der Internetseite der Verbraucherzentrale unter https://www.verbraucherzentrale-rlp.de/energiepreise
Ausblick
Trotz der zahlreichen Herausforderungen der letzten Jahre ist die Verbraucherzentrale nicht nur in Krisensituationen wie der Corona- oder Energiekrise als niedrigschwellige Anlaufstelle für die Menschen da, sondern hat auch wichtige weitere Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Digitalisierung und demografischer Wandel im Blick. „Die Verbraucherzentrale ist damit wie die Feuerwehr: In Krisenzeiten sofort zur Stelle und in ruhigeren Zeiten mit vielen Beratungs-, Informations- und präventiven Angeboten präsent“, so Heike Troue. „Die Verbraucherzentrale erfüllt damit wichtige Aufgaben in der Gesellschaft. Um all diese Aufgaben gut bewältigen zu können ist eine solide Finanzierung unabdingbar.“
Jahresbericht im Netz
Der komplette Jahresbericht 2022 der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz ist zu finden unter www.verbraucherzentrale-rlp.de/jahresbericht-2022-rlp.